Eingang Schloss Coswig
Das Schloss in Coswig (Sachsen-Anhalt) steht direkt an der Elbe gegenüber des Wörlitzer Parks. Gebaut als Witwensitz im 17. Jahrhundert,
umgenutzt als Gefängnis und Archiv, steht das Gebäude heute leer. Die derzeitige Eigentümerin hat zwar mit Umbauarbeiten zu einem
transnationalen Kulturzentrum begonnen, musste die Arbeiten jedoch 2012 aufgrund von Planungsfehlern des ausführenden Architekten
einstellen.
Für die Masterthesis sollte ein alternatives Konzept zu den gescheiterten Planungen entwickelt werden, das die Denkmalwerte des Schlosses
ebenso berücksichtigt wie die Machbarkeit in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht.
Kern des Konzepts ist die schrittweise Aneignung der bestehenden Räume durch einen architektonischen Eingriff, der sich dem Raum des
Denkmals anpasst. Durch die Modularität des Einbaus kann das Gebäude etappenweise in Gebrauch genommen werden, die Eigenständigkeit der
Konstruktion und die geringen Eingriffe in den Bestand ermöglichen einen Erhalt der Bausubstanz über die geplante Nutzung hinaus.
Masterthesis
"Schloss Coswig"
Betreuung durch
Professur Entwerfen und Raumgestaltung
Prof. Dipl.-Ing. José Mario Gutierrez Marquez
Professur Komplexe Gebäudelehre
Prof. Dipl.-Ing. Jörg Springer
Professur Bauformenlehre
Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Des. Bernd Rudolf
Schloss Coswig von der Schlossstraße aus gesehen
Das Schloss in Coswig (Sachsen-Anhalt) wurde in seiner heutigen Erscheinung im 17. Jahrhundert als barocker Neubau für Sophia Augusta von
Anhalt-Zerbst, die Schwester der schwedischen Königin, errichtet. Die Konzeption der Vierflügelanlage wurde den französischen Bauten wie dem
Louvre nachgeahmt und den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Direkt an der Elbe gelegen, wurde das Schloss vor allem als Witwensitz genutzt,
war aber auch Aushängeschild zu den nahen Fürstentümern Kursachsen und Anhalt-Dessau.
Nach dem Tod der letzten Fürstin baute man das Gebäude zum Gefängnis um, das auch in der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR bestehen
blieb. Erst 1956 wurde es geschlossen und stattdessen ein Archiv eingerichtet. Beide Umnutzungen hatten einschneidende Umbaumaßnahmen zur
Folge, die die Innengestaltung des Schlosses fast komplett vernichteten.
Seit der Auflösung des Archivs 1998 steht das Schloss leer, 2006 wurde es von der italienischen Investorin Magnolia Albertazzi gekauft um
dort ein Kulturzentrum mit Opern- und Musikaufführungen und Ausstellungen einzurichten.
Schemadarstellungen der Konzeptelemente Begrenzung, Kapsel, Vorhang
Detailschnitte der Konzeptelemente Begrenzung, Kapsel, Vorhang
Hauptbestandteil des Eingriffs ist eine architektonische Maschine, die sich in den Räumen des Schlosses ausbreitet.
Gleichzeitig ist sie Bühne für alle Veranstaltungen und Leitungs- und Wegeführung. Ebenso
wie der Bühnenapparat, der in traditionellen Theaterhäusern den „Deus ex Machina“ auf die Bühne bringt, soll auch der
architektonische Einbau im Schloss Coswig die benötigte Funktionalität „wie von Zauberhand“ bereitstellen. Dabei
verhält sich das Werkzeug wie eine Bergbaumaschine, die sich auf der Suche nach wertvollen
Einschlüssen im Gestein durch Höhlen und unterirdische Gänge bewegt, Stollen sichert, Schutzräume baut und die
gefundenen wertvollen Schätze zugänglich macht. Der zur Verfügung stehende Raum wird auf Tauglichkeit für
die Verwendung überprüft und eventuell nach den Anforderungen verändert. Wie die Bergwerkmaschinen kann der
architektonische Apparat im Schloss Coswig selbst keine statischen
Aufgaben übernehmen - er kann aber den vorgefundenen Raum so verändern, dass die Tragfähigkeit wieder
hergestellt und neue Verbindungen geschaffen werden. Der Apparat breitet sich als Boden aus Gussasphalt im Schloss aus, ohne die ruinösen Wände und Decken des Schlosses zu berühren, die für dessen Atmosphäre so prägend sind. Begrenzt wird der Boden durch eine Kante aus brüniertem Messing, das auch die restlichen Abschlüsse an Treppen und Türen bildet. |
Da die Nutzung des Schlosses hauptsächlich auf kurzzeitige Belegung kleiner Bereiche ausgerichtet ist, werden nur länger genutzte
Räume durchgehend geheizt und gedämmt. In manchen Bereichen wie dem Gäste-Apartment, Büroraum oder den Sanitärbereichen faltet sich
der Boden des Bühnenapparats deshalb zusammen und gibt diesen Räumen den thermischen Schutz und die nötige Privatsphäre eines
Schutzraums in der Ruine. Gebaut ist diese Kapsel aus einer Holzständerwand mit Zwischendämmung, die beiderseits diffusionsoffen mit Holzweichfaserplatten beplankt ist. Raumsichtig wird ein schwarz gefärbter Lehmputz aufgebracht und mit einer Lehmkaseinspachtelung widerstandsfähig gemacht. |
Die Ausbreitung des Bühnenapparats auf dem Boden des Bestandsbaus formt eine Bühne für die tatsächliche Theaternutzung. Dieser von der Maschine geformte Bühnenraum wird von einer zweiten temporären Schicht überlagert. Wiederum in Kontrast zum Apparat schaffen weiße Vorhänge durch ihre Umhüllung intimere Räume auf dem neuen Boden und markieren so die Veranstaltungsbereiche. Sie verbessern durch Schallabsorption die akustischen Eigenschaften und vermindern den Luftaustausch mit kälterer Umgebungsluft im Winter. Die kurzfristig genutzten Veranstaltungsbereiche können so ähnlich einer Kirche schnell und effektiv beheizt werden, ohne dass eine vollflächige Dämmung des Gebäudes notwendig ist. |
Grundriss zweites Obergeschoss
Schnitt durch den Nordflügel des Schlosses und den Wirtschaftshof
Blick in den Großen Festsaal im zweiten Obergeschoss (Modellfoto © Michael Protschky 2014)